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Die schwedischen Stadtnetze: eine Wholesale-Erfolgsgeschichte
Autor von Netadmin-Inhalten : 12.09.2024 13:15:13
Die Glasfasernetze schwedischer Städte und Gemeinden sind eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die bis in die Mitte der 90er-Jahre zurückreicht. Das „schwedische Konzept“ entstand, als Telia Sonera, der frühere etablierte Telekommunikationsanbieter, den Markt beherrschte. Zu dieser Zeit nutzte der Großteil der Bevölkerung Modem-Einwählverbindungen, und nur wenige Glückliche mit frühem Kupfer-XDSL-Zugang konnten die Vorteile des aufkommenden IT-Zeitalters voll ausschöpfen.
Die Geschichte hinter der schwedischen Glasfaserrevolution
Heute gibt es in Schweden etwa 170 Stadt- oder Gemeindenetze, von denen 90 % den Gemeinden gehören, die gemeinsam 50 % der schwedischen Glasfaserinfrastruktur besitzen. Was steckt hinter der schwedischen Glasfaserrevolution? Und kann sie immer noch andere Märkte inspirieren, die Schwierigkeiten haben, tragfähige Geschäftsmodelle zu finden?
Kurz gesagt: Die schwedischen Stadtnetze, manchmal auch Gemeindenetze genannt, sind geografisch begrenzte Netze, die hauptsächlich von den Gemeinden direkt oder über gemeindeeigene Versorgungsunternehmen betrieben werden. Die Idee hinter den Stadtnetzen war schon immer, eine Serviceprovider-neutrale Infrastruktur bereitzustellen. Die Gemeinden stellen also die Infrastruktur bereit, während privatwirtschaftliche Dienstleister die eigentlichen Internet-, Telefonie- und IPTV-Dienste anbieten – das ist das „schwedische Wholesale Access Modell“.
Dieses Modell hat eine Vielzahl kleinerer und mittelgroßer Einzelhandelsdienstleister hervorgebracht, die ihre Dienste anbieten können, ohne die erheblichen Investitionen tätigen zu müssen, die für den Ausbau neuer Glasfasernetze erforderlich wären. Der erhöhte Wettbewerb auf dem Markt kam den schwedischen Verbrauchern zugute: Mittlerweile haben mehr als 84 % der Bevölkerung Zugang zu Glasfaser – und das zu Preisen, die im weltweiten Vergleich mit am niedrigsten liegen. Dies hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass in Schweden in den vergangenen 25 Jahren erfolgreiche neue IT-Startups entstanden sind, darunter bekannte Unternehmen wie Spotify, Skype und Klarna.
Referenz:
SSNF.org
Schwedens Engagement für das Gigabit-Ziel der EU
Schweden hat sich dem 2022 von der Europäischen Union gesetzten Ziel verpflichtet, dass bis 2030 alle Bürger Zugang zu einer Gigabit-Verbindung haben sollen. Um dies zu erreichen, muss der große Anteil der Bevölkerung erreicht werden, die in ländlichen Gebieten und innerhalb der sogenannten „weißen Flecken“ lebt. Die Gemeinden werden weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Erreichung dieser Ziele spielen. Im Jahr 2023 stellte die schwedische Regierung zusätzliche 3 Milliarden SEK (275 Millionen USD) für die schwedische Post- und Telekommunikationsbehörde (PTS) bereit, um ländliche weiße Flecken zu erschließen.
Die Regierung änderte kürzlich auch das „Ortsprinzip“, um es den Gemeinden zu erleichtern, ihre Netze auf nahegelegene Gebiete über Gemeindegrenzen hinweg auszudehnen. Diese Änderung wurde von der Swedish Local Fibre Alliance (SSNf) seit vielen Jahren als Schlüssel angesehen, um bis zu 150.000 zusätzliche Haushalte zu erreichen und gleichzeitig die Robustheit der Infrastruktur zu erhöhen.
Vallastaden - Linköping
Referenz:
SSNF - Nytt om stadsnäten (SE)
Drei Hauptvarianten von Stadtnetzen in Schweden unterscheiden sich in ihrer Position in der Wertschöpfungskette
Der erste Typ besitzt nur die Infrastruktur und agiert als Netzbetreiber (Network Owner – NO), während der aktive Teil des Netzes von einem größeren Kommunikationsbetreiber (Communication Operator – CO) wie Global Connect, Telia, oder Open Universe verwaltet wird. Diese Option ist für den Netzbetreiber von Vorteil, da er keine erheblichen Investitionen in die gesamte IT-Infrastruktur und das erforderliche Personal tätigen muss, um das Netz zu betreiben. Der Kommunikationsbetreiber kümmert sich um das Großhandelsgeschäft und die Integration von Einzelhandelsdienstanbietern, was oft größere Internet Service Provider (ISP) anzieht und den Endverbrauchern eine größere Auswahl ermöglicht.
Der Kommunikationsanbieter wird nach den Regeln der öffentlichen Vergabe ausgewählt. In diesem Modell spielt der Netzbetreiber weiterhin eine wichtige Rolle beim Ausbau des Glasfasernetzes, und eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien ist erforderlich, um neue Haushalte anzuschließen.
Der zweite Typ sind Stadtnetze, die auch das aktive Netz selbst betreiben. Viele Gemeinden sehen dies als attraktive Option, da sie so einen größeren Anteil am Verbraucherpreis erhalten. Bemerkenswerterweise gelingt es vielen Stadtnetzen, das Netz mit nur einer Handvoll Mitarbeiter zu betreiben, wobei einige nur drei Personen im Bereich BSS/OSS beschäftigen. Dieses Modell könnte für mittelgroße Netze besser geeignet sein, bei denen die Größe des Netzes die Kosten für Investitionen in IT-Infrastruktur und -Systeme überwiegt.
Der dritte Typ sind Stadtnetze, die in ihrem eigenen Netz auch als Einzelhandelsdienstleister auftreten, entweder allein oder als Hybrid. Dies ist eine Ausnahme, da die Mehrheit der Netze dem ersten oder zweiten Typ angehört. Es gibt also keine einheitliche Definition von Stadtnetzen; und nicht alle sind echte Open-Access-Netze.
„Der Erfolg der schwedischen Stadtnetze liegt in ihrer anbieterneutralen Infrastruktur, die eine Vielzahl kleiner bis mittelgroßer Dienstleister fördert. Dies eliminiert die Notwendigkeit erheblicher Investitionen in neue Glasfasernetze, was den Verbrauchern zugutekommt und Schwedens Erfolg im IT-Startup-Bereich unterstützt.“
Ulf Engstrand, Senior Produktmanager
Anwendbarkeit des schwedischen Modells in anderen Märkten und die Rolle von Netadmin Systems
Kann das schwedische Modell in anderen Märkten repliziert werden? Sicherlich gibt es viel aus dem schwedischen Ansatz zu lernen, auch wenn die Bedingungen über die Märkte hinweg unterschiedlich sind. Wichtig ist, dass dieses Modell in erster Linie ein Ergebnis politischen Willens und politischer Entscheidungen ist. Die strategische Verteilung nationaler Mittel zwischen Stadtnetzen, die den Gemeinden gehören, und kommerziellen Betreibern ist ein entscheidender Faktor.
Die Ergebnisse wären anders, wenn die Mittel ausschließlich an kommerzielle Betreiber fließen würden. Gemeinden sind beispielsweise die einzigen, die sich auch für die Versorgung ländlicher Gebiete und weißer Flecken entscheiden, die für kommerzielle Unternehmen kurzfristig wirtschaftlich nicht rentabel wären. Das schwedische Modell wird jedoch von der Philosophie einer demokratischeren Gesellschaft getragen, die allen die gleiche Möglichkeit bietet, am digitalen Zeitalter teilzunehmen und es Unternehmen ermöglicht, zu wachsen. Um diese Berechnung zu verstehen, müssen Investitionen und Einnahmen für das gesamte Netz betrachtet und dabei auch das Gesamtbild des nationalen Wachstums berücksichtigt werden.
Diese Notwendigkeit wurde nach der COVID-19-Pandemie, die in den meisten Ländern zu Lockdowns führte, noch deutlicher. Ich beispielsweise arbeite in einer ländlichen Region im Homeoffice mit einer Hochgeschwindigkeits-Glasfaserverbindung – in einer Region, die für kommerzielle Anbieter von geringem Interesse ist. Dies ermöglicht es mir jedoch, zum Wohlstand unserer Gesellschaft beizutragen. Es sollte auch erwähnt werden, dass Telia eine bedeutende Rolle beim Aufbau der Open-Access-Infrastrukturen gespielt hat und die Entscheidung getroffen hat, Zugangsdienste über Kupferleitungen einzustellen, nachdem die staatliche Post- und Telekommunikationsbehörde PTS beschlossen hatte, die Verpflichtungen von Telia in diesem Bereich aufzuheben.
Ein weiterer entscheidender Unterschied besteht darin, dass konkurrierende Technologien wie höhere VDSL-Geschwindigkeiten und DOCSIS, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, in Schweden nicht so bedeutende Hindernisse waren wie in anderen Märkten. In einigen Märkten, in denen nationale Mittel verwendet werden, um bestehende Infrastrukturen zu überbauen, kann es schwierig sein, Verbraucher davon zu überzeugen, auf Glasfaser umzusteigen. Dies verringert die Anreize für privatwirtschaftliche Unternehmen, auch bei nationaler Förderung zu bauen, da die Kundennachfrage anfangs zu gering ist.
Nichtsdestotrotz bestehen die von der Europäischen Union festgelegten Ziele, und öffentliche Mittel werden eine entscheidende Rolle bei der Erreichung dieser Ziele spielen. Das schwedische Modell mit seinen politischen Entscheidungen, alle mit Glasfaser zu versorgen, wird von entscheidender Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang wird der Wholesale-Ansatz oft notwendig sein, um die langfristigen gesellschaftlichen Ziele effizient mit den kurzfristigen Gewinnen zu vereinen, die von den Dienstleistern gefordert werden.
Die Rolle von Netadmin Systems im schwedischen Wholesale Access Modell
Netadmin Systems spielt seit 2004 eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung des schwedischen Wholesale Access Modells. Netadmin war der dominierende BSS/OSS-Softwareanbieter auf dem schwedischen Markt und setzte Standards, um den Betrieb eines Großhandelsgeschäfts effizient zu gestalten.
Einige der von Netadmin gelieferten Komponenten umfassen Ressourcenmanagement und Aktivierung, Address und Kundenverwaltung, Trouble-Ticketing, und Diagnosen sowie wichtige Komponenten für das Großhandelsgeschäft selbst. Dazu gehört die Open Network API (ON API), die Tools für eine effiziente Integration zwischen Einzelhandelsdienstleistern und Kommunikationsbetreibern bietet.
Netadmin ist auch ein wichtiger Bestandteil des Netzausbauprozesses und erleichtert zwischen Netzbetreibern, Kommunikationsbetreibern und Einzelhandelsdienstleistern die Kommunikation im gesamten Prozess, von der Gebietsplanung bis hin zu aktiven Diensten. Besonders für den zweiten Typ von Gemeinden, bei dem ein externer Kommunikationsbetreiber die aktiven Teile des Netzes verwaltet, bietet Netadmin Werkzeuge wie das Network Insight Portal (NIP) welches die Transparenz für Netzbetreiber erhöht und es ihnen ermöglicht, eine wichtige Rolle bei der Steuerung ihres eigenen Ausbauprozesses innerhalb ihres Netzwerks zu spielen. Dies wiederum hilft dabei, die nationalen und europäischen Glasfaserziele zu erreichen.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit zum Lesen genommen haben! – Ulf Engstrand
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an
Johan Hjalmarsson, Produktmarketing-manager, Netadmin Systems.
Email: johan.hjalmarsson@netadminsystems.com